Der Schriftsteller Fiston Mwanza Mujila im Porträt

Von Ralf Leonhard · · 2022/Sep-Okt
Fiston Mwanza Mujila © Richard Haufe-Ahmels

Der Grazer Schriftsteller aus der Demokratischen Republik Kongo, Fiston Mwanza Mujila, hat heuer mit „Tanz der Teufel“ seinen zweiten Roman vorgelegt.

Fiston Mwanza Mujila ist Grazer. Wenn er zum Arbeiten in sein Stammlokal, das Café Kaiserfeld, geht, grüßen ihn vorüberfahrende Radfahrer*innen freundlich. Zum Ausgleich joggt er morgens am Murufer entlang. Der Schriftsteller aus Lubumbashi in der Demokratischen Republik Kongo gehört mittlerweile zur steirischen Hauptstadt.

Als er 2009/2010 Stadtschreiber von Graz war, wurde er zur öffentlichen Persönlichkeit. „Man hat mich zu allen Empfängen eingeladen“, erinnert er sich. Andere Literat*innen wurden ihm vorgestellt, die Medien beschäftigten sich mit ihm. Es gefiel ihm in Graz und er blieb.

Sprache der Kolonialmacht. Mwanza Mujila schreibt Gedichte und Theaterstücke. Seine beiden Romane „Tram 83“ und „Tanz der Teufel“ landeten internationale Erfolge. An der Grazer Uni ist er als Lektor für afrikanische Literatur beschäftigt.

Schon als Kind hatte er jedes Buch verschlungen, das er in die Finger bekommen konnte. Sein Großvater war aus der zentralkongolesischen Region Kasaï in die Kupferstadt Lubumbashi im Süden des Landes migriert. Er legte großen Wert darauf, dass seine Kinder und Enkelkinder korrektes Französisch sprachen. Das war zwar die Sprache der verhassten belgischen Kolonialmacht, doch sie öffnete den Weg in die Welt: „Bildung war ein Weg zur Freiheit.“

Buchläden, die diesen Namen verdienten, gab es keine. So las der 1981 geborene Heranwachsende die „Mao-Bibel“ genauso wie Kochbücher und religiöse Schriften. Französische und deutsche Klassiker kamen später über Reisende aus Europa ins Haus. Besonders angetan hatten es ihm Existentialist*innen wie Jean Paul Sartre, Albert Camus und Simone de Beauvoir.

Eigentlich wollte er Musiker werden: „Aber es gab keine Musikschule. Ich habe mir nicht wirklich gewünscht, Schriftsteller zu sein. Aber ich habe angefangen zu schreiben.“ An der Uni inskribierte er Literatur und Humanwissenschaften.

In das vom Großvater in Lubumbashi eröffnete Lokal kamen die Bergarbeiter, um abends Zeitung zu lesen, über Politik zu diskutieren oder dem Wirt ihr Herz auszuschütteten.

Die Eltern des Schriftstellers zählen zur urbanen Mittelschicht. Beide konnten sich vorzeitig zur Ruhe setzen und ihre acht Kinder auf die Universität schicken.

Der Schriftsteller ärgert sich, wenn er in Europa als Flüchtling beschrieben wird, „weil das besser ins Klischee passt“. Nach Europa kam er durch ein Begabtenstipendium zunächst nach Belgien, dann mit einem weiteren Stipendium der Heinrich-Böll-Stiftung nach Berlin. Dort erfuhr er von der Möglichkeit, sich um die Position des Stadtschreibers in Graz zu bewerben. „Ich bin abergläubisch, deswegen glaubte ich an mein Glück“, sagt er.

Exzentrische Gestalten. In seiner Literatur ist der gebürtige Kongolese noch stark der alten Heimat verhaftet. Sein 2022 erschienener Roman „Tanz der Teufel“ spielt im Milieu der kongolesischen Diamantenschürfer, die in der angolanischen Provinz Lunda Norte ihr Glück suchen. Manche werden reich und verprassen dann ihr Geld in den Bars von Lubumbashi.

Fiston Mwanza Mujila
Tanz der Teufel
Zsolnay Verlag, Wien 2022
288 Seiten, € 25

„Diese Leute waren Helden für uns. In einer Diktatur, wie damals unter Mobutu Sese Seko (der das Land von 1965 bis 1997 diktatorisch regierte, Anm. d. Red.), hat man ja nicht viele Vorbilder.“

Seine Protagonist*innen hat er aus verschiedenen Personen, die er kennenlernte oder aus Erzählungen kannte, zusammengesetzt: „Ein Schriftsteller ist wie ein Koch, der verschiedene Zutaten zusammenmixt, damit etwas Neues entsteht.“

Die Kultur, die Mwanza Mujila schildert, bei der Männer ein Dosenbier nach dem anderen in sich hineinkippen, sieht er als Mischung aus afrikanischem Savoir-vivre und Ersatzreligion: „Man ist orientierungslos, wie in einem Gefängnis. Und man hat nichts anderes zu tun. Man trinkt, um die Realität zu vergessen.“

Mit dem grassierenden Rassismus hierzulande hat er gelernt umzugehen. Manchmal lassen ihn Türsteher nicht in ein Tanzlokal. „Nur in Begleitung von Österreichern durfte ich rein.“ Wenn Leute ihn rassistisch ansprechen, versucht er zu diskutieren: „Warum sagst du das? Bin ich kein Mensch?“. Seit drei Jahren hat er den österreichischen Pass: „Man kann Österreicher und Schwarz sein.“

Mwanza Mujila kann sich heute gut vorstellen, die nächsten 20 Jahre in Graz zu bleiben. Vielleicht zieht er aber auch weiter: „Mein Leben sehe ich wie einen Fluss: Ein Fluss ist immer in Bewegung.“

Ralf Leonhard ist freier Journalist & Autor und schreibt seit über 35 Jahren für das Südwind-Magazin.


Basic

Berichte aus aller Welt: Lesen Sie das Südwind-Magazin in Print und Online!

  • 6 Ausgaben pro Jahr als Print-Ausgabe und/oder E-Paper
  • 48 Seiten mit 12-seitigem Themenschwerpunkt pro Ausgabe
  • 12 x "Extrablatt" direkt in Ihr E-Mail-Postfach
  • voller Online-Zugang inkl. Archiv
ab € 25 /Jahr
Abo Abschließen
Förder

Mit einem Förder-Abo finanzieren Sie den ermäßigten Abo-Tarif und ermöglichen so den Zugang zum Südwind-Magazin für mehr Menschen.

Jedes Förder-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

84 /Jahr
Abo Abschließen
Soli

Mit einem Solidaritäts-Abo unterstützen Sie unabhängigen Qualitätsjournalismus!

Jedes Soli-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

168 /Jahr
Abo Abschließen